Neues Jahr, neues Experiment

Anfang letzten Jahres habe ich dazu aufgefordert, die "richtigen" Fehler zu machen und Experimente zu wagen. Mein YouTube-Kanal mit interaktiven Konsequenzen-Geschichten war so ein Experiment.

 

Nach mehr als 40 Folgen habe ich mich entschlossen, den Kanal neu auszurichten. Der Grund ist aber nicht, dass ich das Experiment als gescheitert ansehe - im Gegenteil. Zwar ist die Zahl der Follower noch überschaubar, aber die so genannte "Reaktivierungsquote" - die Zahl der Follower, die wöchentlich das neuste Video anschauen - ist sehr gut, ein ermutigendes Zeichen. Außerdem hat mir das Experiment nicht nur neue Zuschauer, sondern auch äußerst wertvolle neue Kontakte gebracht, zum Beispiel zu der wunderbaren Kati Winter, mit der ich einige gemeinsame Folgen produziert habe und die meinen Fantasy-Roman "Die Fährtenleserin" vertont hat. Allein dafür hat sich das Experiment schon gelohnt!

 

Stattdessen spielen zwei Gründe eine Rolle. Der eine ist, dass sich nach über 40 Folgen gewisse Ermüdungserscheinungen bei mir eingestellt haben. Zwar habe ich noch genug Ideen für neue Konsequenzen-Folgen, aber die Gefahr der Wiederholung und damit eines allmählichen Qualitätsverlusts wird doch größer. Der eigentlich entscheidende Grund ist aber ein anderer.

 

Schon lange beschäftige ich mich in meinen Büchern und in meinem anderen Blog mit den Gefahren künstlicher Intelligenz. Im Sommer las ich das Buch "The Precipice" des Oxford-Philosophen Toby Ord, der mir noch einmal verdeutlicht hat, wie dringlich dieses Problem ist. Ord argumentiert, dass wir womöglich im wichtigsten Jahrhundert der Menschheitsgeschichte leben - und damit meint er eine verdammt lange Zeit, von den Anfängen des modernen Menschen vor hunderttausend Jahren bis in die ferne Zukunft in vielleicht einer Jahrmillion oder noch länger.

 

Dass ausgerechnet jetzt die kritischste Phase dieses langen Zeitraums sein soll, ist erstmal eine gewagte Behauptung. Aber schaut man genauer hin, dann wird das erschreckend plausibel: Bis vor etwa achtzig Jahren gab es schlimme Kriege, aber es bestand niemals die Gefahr, dass dabei die gesamte Menschheit vollständig ausgelöscht wird. Seit der Erfindung der Atombombe besteht diese Möglichkeit zumindest theoretisch, wobei wir immer neue, hoch gefährliche Technologien entwickeln wie etwa künstliche Viren, Nanotechnologie oder künstliche Intelligenz. Dadurch steigt das Risiko einer existenziellen Katastrophe. Irgendwann aber, vielleicht in hundert, vielleicht in zweihundert oder dreihundert Jahren, werden wir die Grenzen unseres Planeten verlassen und außerhalb der Erde autarke menschliche Kolonien errichten, die dauerhaft existieren können. Dann wäre die Menschheit quasi unzerstörbar - selbst eine große Naturkatastrophe wie ein Asteroideneinschlag könnte uns nicht mehr vollständig vernichten und wir würden uns früher oder später über einen Großteil der Galaxis ausbreiten.

 

Die Phase größtmöglicher Verletzbarkeit der Menschheit als Ganzes ist also tatsächlich genau jetzt. Wir wandern quasi am Rand des Abgrunds entlang und müssen nur ein kurzes Stück zurücklegen, bis wir in Sicherheit sind. Doch auf diesem schmalen Grat können wir uns keinen Fehltritt erlauben.

 

Ord listet in seinem Buch mögliche existenzielle Risiken auf, die nicht nur uns, sondern auch sämtliche nachfolgenden Generationen innerhalb dieses Jahrhunderts vernichten könnten. Die mit Abstand größte Gefahr sieht er in außer Kontrolle geratener künstlicher Intelligenz.

 

Mich hat dieses Buch ins Grübeln gebracht. Wenn Toby Ord recht hat, dann lastet auf uns allen nicht nur die Verantwortung für uns selbst, sondern auch für alle zukünftigen Menschengenerationen. Das betrifft nicht nur Klimawandel und Umweltzerstörung, sondern eben auch künstliche Intelligenz. Also habe ich beschlossen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um diese Gefahr möglichst zu verringern.

 

Der erste und vielleicht wichtigste Schritt dazu ist es, das Problem überhaupt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Als Schriftsteller habe ich dafür immerhin einige Möglichkeiten. Ich werde mich daher künftig noch mehr auf KI als Thema konzentrieren. Auch meinen YouTube-Kanal möchte ich nutzen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Daher gibt es dort ab heute eine neue Serie mit dem Titel "Konsequenzen der KI". In Folge 1 erkläre ich, warum ich mich überhaupt mit diesem Thema beschäftige.

 

Trotz dieser auf den ersten Blick vielleicht düsteren Perspektive blicke ich optimistisch in die Zukunft und wünsche allen Leserinnen und Lesern ein glückliches und gesundes Jahr 2022!

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Kommentare: 4
  • #1

    Fritz (Dienstag, 04 Januar 2022 20:57)

    Hallo Karl,
    ich habe verstanden, dass die Intelligenz der Menschen der Grund ist, warum wir die Kontrolle haben. Wir bestimmen, ob andere Lebewesen leben dürfen, wir sie essen oder wir sie als Ungeziefer vernichten.
    Also ist es auch klar, dass Maschinen, die intelligenter als wir sind, die Kontrolle übernehmen und irgendwann entscheiden, welche Menschen nützlich sind und welche unnütz oder schädlich sind und vernichtet werden müssen.
    Vermutlich würde ich das hier nicht in der Form schreiben, wenn ich dass Buch Human Compatible schon gelesen und das Gorilla Problem verstanden hätte. Da ich aber vermute, dass die Gorillas ja auch keinen Einfluss darauf hatten, dass Menschen entstehen und die Kontrolle übernehmen, werden wir Menschen wohl auch keine umfassende Wahl haben, wenn sich die Maschinen weiter entwickeln. Rückgängig lässt sich diese "Erfindung" wohl nicht machen - wie alle anderen auch nicht.
    Da Du aber scheinbar noch Hoffnung hast, dass wir die Kontrolle behalten können, werde ich erst einmal das Buch lesen und mein Wissen ein ganz klein wenig erweitern. ;)
    Danke für die Anregung!
    Gruß Fritz

  • #2

    Karl Olsberg (Mittwoch, 05 Januar 2022 15:07)

    @Fritz: Ich bin mir sehr unsicher, ob wir die Kontrolle behalten können. Aber es hat wenig Sinn, vor Verzweiflung den Kopf in den Sand zu stecken. :)

  • #3

    Fritz (Mittwoch, 05 Januar 2022 16:01)

    @Karl, ja ich weiß, mein Kopf steckt sehr häufig im Sand.
    Früher wollte ich mit dem Kopf durch die Wand - hat auch nicht geklappt. ;)
    http://de11.de/kopf-sand-wand.jpg

  • #4

    Karl Olsberg (Mittwoch, 05 Januar 2022 16:26)

    @Fritz: :D