Impro-Plotten live

Am Donnerstag, 30.1. um 11.30 werde ich im Rahmen der 14. Lübecker Jugendbuchtage versuchen, zusammen mit dem Publikum live eine neue Geschichte zu "plotten". Darunter versteht man den Entwurf eines groben Handlungsablaufs für eine Kurzgeschichte oder einen Roman. Ich habe etwas Derartiges noch nie gemacht und bin gespannt, was dabei herauskommt.

 

Zum Plotten habe ich seit jeher ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits geht es nicht ohne - einen Thriller kann man nur schreiben, wenn man sich vorher ein paar Gedanken über den Handlungsablauf und vor allem das Ende macht, und Verlage wollen immer schon vorher wissen, was in einem Buch passiert, auch wenn es noch gar nicht geschrieben ist. Andererseits passiert in keinem meiner Romane genau das, was im ursprünglichen Handlungsentwurf steht - manchmal sogar etwas völlig anderes. Es ist fast wie beim Militär: Kein noch so guter Plan überlebt den ersten Feindkontakt. Und der "Feind" ist in diesem Fall die Glaubwürdigkeit meiner Geschichte.

 

Wenn mein Held laut Handlungsentwurf in Kapitel 3 im Keller seltsame Geräusche hört und todesmutig hinuntergeht, um nachzusehen, kann es durchaus sein, dass der Held diese Idee blöd findet und etwas ganz anderes macht, zum Beispiel die Polizei anruft. Tatsächlich haben alle Schriftsteller, die ich kenne, diese Erfahrung gemacht: Die Figuren eines Romans entwickeln nach einer gewissen Zeit ein Eigenleben und haben ihren eigenen Dickkopf. Sie tun Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat, und halten sich nicht an die Regieanweisungen. Der Grund dafür ist, dass man eine Situation oft erst deutlich genug erkennt, wenn man sich "dort hingeschrieben" hat. Und dann wird auf einmal klar, dass es tatsächlich eine außerordentlich blöde Idee wäre, allein  in den Keller zu gehen, wenn man in einem fremden Haus ist und mitten in einer Zombieapokalypse steckt oder am morgen in der Zeitung stand, dass ein Puma aus dem Zoo nebenan ausgebrochen ist.

 

Ich muss zugeben, dass ich diese Momente liebe, in denen mich meine eigene Geschichte überrascht. Das macht das Schreiben zu einem spannenden Abenteuer. Manchmal allerdings ist es nicht so einfach, die Handlung wieder "einzufangen" und in die Richtung zu entwickeln, in die sie eigentlich laufen sollte. Ich habe schon ganze Kapitel streichen oder komplett neu schreiben müssen, um den Helden dazu zu bringen, das zu tun, was die Leser und ich von ihm erwarten. Insofern ist auch mein tägliches Schreiben so etwas wie "Plot-Improvisation". Ich freue mich deshalb schon sehr auf die Veranstaltung und bin gespannt, was dabei herauskommt.

 

Wer am 30. in der Nähe von Lübeck ist und dabei sein möchte, kann sich hier anmelden.

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