Kreative Computer

Eines der häufigsten Vorurteile gegen künstliche Intelligenz, das ich immer wieder höre ist, Computer könnten niemals kreativ sein. Davon abgesehen, dass nicht so klar definiert ist, was "Kreativität" eigentlich sein soll, ist das Unfug. Maschinen können sehr wohl "kreativ" sein, indem sie selbstständig Lösungen entwickeln, die ihnen kein Mensch vorher einprogrammiert hat. "Neuronale Netze", die z.B. in der Bilderkennung und Medizin eingesetzt werden, können Zusammenhänge erkennen, die Menschen verborgen bleiben.

 

Vor einigen Jahren habe ich mich deshalb in einem Beitrag für die Zeitschrift "Brand Eins" gefragt, "Wird der größte Künstler des 21. Jahrhunderts eine Maschine sein?"

 

Nur ein paar Jahre später sind wir der damals noch sehr futuristisch anmutenden Vision (ich hatte ja noch 91 Jahre Zeit, bevor die Frage beantwortet werden konnte) schon ziemlich nahe gekommen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel künstlicher Kreativität liefert Google mit seinem Projekt "Inceptionism" (hier ein deutscher Artikel zum Thema). Dabei dreht das Google-Team den Zweck neuronaler Netze, die trainiert wurden, Gegenstände zu erkennen, quasi um und lässt sie die erkannten Gegenstände "malen". Die Ergebnisse sind verblüffend, und ich wette, dass sie den "Turing-Test" bestehen würden: Menschliche Kunstexperten, die vorher nichts von dem Google-Experiment wussten, wären nicht in der Lage, zu erkennen, dass diese Bilder nicht von Menschen gemalt wurden.

 

Besonders faszinierend daran finde ich, dass die Bilder, die als Ausgangsmaterial dienen, nicht bloß verfremdet wurden, sondern dass die Maschine selbstständig Objekte "hineininterpretiert": So wird aus einer Bergspitze eine Pagode, aus einem Baum ein Turm, aus dem Schatten eines Blattes ein Vogel. Menschliche künstlerische Kreativität funktioniert sehr ähnlich: Die Bilder, die wir in unserem Gehirn abgespeichert haben, um damit Objekte zu identifizieren, holen wir hervor und bringen sie zu Papier, wobei wir oft von realen Bildern inspiriert werden.

 

Natürlich gibt es tausend Argumente dafür, warum das auf keinen Fall "Kunst" sein kann (z.B.: "Die Maschine hat ja nicht die Absicht gehabt, irgendetwas auszudrücken, sondern nur getan, was der Programmierer ihr vorher gesagt hat"). Aber diese Argumente gehen meines Erachtens am Kern der Sache vorbei. Und der lautet für mich: Es gibt nichts - absolut gar nichts - was Menschen können, das Maschinen nicht in naher Zukunft mindestens genauso gut können werden (vielleicht mit der einen Ausnahme, "wie ein Mensch" zu sein).

 

Auch, wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Computer werden im Laufe dieses Jahrhunderts nicht nur besser Schachspielen und Autofahren als wir (das können sie längst), sie werden Bilder malen, Sinfonien komponieren und Romane schreiben, die uns zutiefst bewegen und unser Leben bereichern werden. Es wird keinen Beruf mehr geben, den Maschinen in ein paar Jahrzehnten nicht ergreifen könnten - den des Schriftstellers eingeschlossen.

 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    ktroesen (Montag, 24 August 2015 00:03)

    Ich bin eine System Beraterin in Rente und in den 60 und 70 Jahren in Fortran, assembler, cobol, RPG und mit LISP gespielt. Hauptsächlich fuer Banken. In den 80ziger Jahren hat meine Firma das Toronto On-Line Trading System nach Europa gebracht wo es zuerst in
    Spanien (IBIS) in Italien (MIB) und der Krediet Bank in Belgien installiert wurde sicher ich verantwortlich war. Wenn ich ihre Bücher lese, das System und Enter und ich sehe was diese ganze Automatisierung mit der Menschheit und unserer Natur macht wenn ich die voll automatisierte Starrte in China,Korea, und den Emiraten sehe auch selbst steuernde Vehikel, was passiert bei einem EMP (elektromagnetischer Puls) ?

  • #2

    Karl Olsberg (Montag, 24 August 2015 12:38)

    @ktroesen: Das ist eine interessante Frage. Ich kenne mich da leider kaum aus. Sicher würde ein starker EMP z.B. von einer in der Stratosphäre gezündeten Atombombe zu einem flächendeckenden Ausfall praktisch der gesamten technischen Infrastruktur im betroffenen Gebiet führen. Je nachdem, wo das passiert, wären die Folgen katastrophal. Allerdings weiß ich nicht, ob bzw. wie gut bestimmte Teile, z.B. die Google-Server, gegen EMPs geschützt sind und wie lange es ggf. dauern würde, den Schaden zu beheben. Hoffen wir, dass wir es nie herausfinden werden.

  • #3

    ktroesen (Dienstag, 25 August 2015 01:07)

    Herr Olsberg, sollten Sie Zeit haben, lesen Sie das Buch von William R. Forstchen - One second after- nur auf englisch aber eine eindringliche Story von einem EMP der in den USA passierte. Der Roman ist zwar Fiction aber er laesst keine Zweifel daran wie heut zu Tage so etwas passieren kann. Ich hoffe ich habe Sie ein bisschen neugierig gemacht. Das Buch ist auf Ihrer Wellenlaenge hat zwar nicht viel mit Komputern zu tun. Ich denke nicht dass jemand der die heutige Technologie benutzt gegen einem EMP geschuetz ist, es sei denn er benutzt die Technologie der 60ziger Jahre.
    Ich bedanke mich fuer Ihre Antwort.

  • #4

    Karl Olsberg (Mittwoch, 26 August 2015 09:47)

    @ktroesen: Danke für den Tipp!