Google und die Demokratie

Normalerweise schreibe ich in diesem Blog nicht über politische Themen. Heute mache ich mal eine Ausnahme. Ich bin zurzeit mit ersten Vorüberlegungen für einen neuen Roman beschäftigt. Bei der Recherche möglicher Themen habe ich vorhin „Bundestagswahl 2017“ bei Google eingegeben und dabei eine für mich äußerst verstörende Entdeckung gemacht.


Die Suchergebnisliste zeigte wie üblich einige Bilder zum Thema unter den ersten Ergebnissen. Mir fiel sofort auf, dass sie sich sehr ähnelten. Neugierig geworden, klickte ich auf die Bildersuche und bekam einen Schreck: Fast alle angezeigten Bilder stammten augenscheinlich von einer einzelnen Person, einem möglicherweise geistig verwirrten Amateurgrafiker und CDU-Hasser. Auch längeres Scrollen änderte kaum etwas.

 

Als Fan statistischer Analysen habe ich es ausgezählt: Auf der ersten Seite waren 31 von 37 angezeigten Bildern (84%) von besagtem Menschen, auf der zweiten Seite immer noch 71%. Auf den ersten neun Seiten sind von 359 Bildern, die Google findet, 175 – fast die Hälfte – von ihm.

 

Man könnte darüber schmunzeln: Die Hassbilder sind so übertrieben, dass sie wohl kaum jemanden überzeugen werden, und zudem oft unfreiwillig komisch („Langfristig sind wir alle tot“). Doch sie offenbaren ein viel tiefer liegendes Problem, das bei mir ein äußerst unangenehmes Kribbeln in der Magengegend erzeugt. Denn Google ist nicht bloß eine Website, auf der man schnell Informationen findet. Google ist längst ein Teil unserer Wahrnehmung geworden. Es formt unsere Realität.

 

Vor Kurzem war ich auf einer Veranstaltung, auf der einige Experten über „SEO“ – Search Engine Optimization – gesprochen haben. Jeden Tag arbeiten in Deutschland tausende von Spezialisten daran, Webseiten so zu „optimieren“, dass sie von Google in den Suchergebnissen bevorzugt werden. Je höher der „Google Rank“, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass der User den Link anklickt. Das macht besonders für Onlineshops einen gewaltigen Unterschied in Bezug auf den Umsatz, also lohnt es sich, hierfür teure Spezialisten zu bezahlen. Das ist nichts Neues und auch nicht verwerflich.

 

Doch was, wenn diese Art der „Optimierung“ nicht nur Produktangebote betrifft, sondern auch Nachrichten? Wenn das, was wir über Politik erfahren, nicht mehr von Redaktionen gefiltert wird, die sich zumindest halbwegs um Objektivität und Sachlichkeit bemühen, sondern von einem scheinbar objektiven Algorithmus, den man mit ein paar simplen Tricks manipulieren kann? Was, wenn jemand diese Tricks weitaus besser beherrscht als alle anderen?

 

Natürlich findet SEO auch in Nachrichtenredaktionen statt, das ist nichts Neues. Doch ich habe bisher in meiner Naivität geglaubt, dass sich, wenn alle SEO betreiben, unterm Strich nicht viel ändert und Google immer noch ein halbwegs ausgeglichenes Bild der politischen Realität liefert. Heute bin ich eines Besseren belehrt worden.

 

Die Manipulation des Google-Alorithmus ist in dem dargestellten Fall so leicht erkennbar, dass sie keinen großen Schaden anrichtet. Doch ich mag mir nicht vorstellen, was passiert, wenn ein politisch radikalisiertes Manipulationsgenie – der Joseph Goebbels unserer Zeit – diesen Mechanismus für sich entdeckt und auf subtile Art unsere politische Wahrnehmung verzerrt. Für unsere Demokratie könnte das eine ernste Gefahr bedeuten.

 

Da Google seinen Algorithmus permanent ändert, habe ich das Ergebnis der Bildersuche vom heutigen Tage in einem Screenshot dokumentiert, den man hier downloaden kann.

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